Graz (22. September 2011).- Ganz im Zeichen von „Integration vor Ort – Vielfalt leben in der Gemeinde" stand gestern (21.09.2011) die FH Joanneum in Graz. Dorthin hatte die steirische Integrationslandesrätin Bettina Vollath nämlich zur ersten steirischen Konferenz des Zusammenlebens geladen, mehr als 300 Vertreterinnen und Vertreter aus der Verwaltung, den Gemeinden, verschiedenen Organisationen und der Politik waren gekommen, um sich zu diesem Thema auszutauschen. „Basis des steirischen Weges ist die Charta des Zusammenlebens; diese gilt es nun mit Leben zu füllen. Dazu brauchen wir so viele Partner wie möglich. Die Entscheidungsträger dieses Landes haben bereits am vergangenen Montag die Integrationspartnerschaftsurkunde unterzeichnet, nun holen wir auch die Gemeinden ins Boot. In den nächsten Wochen starten die Pilot-Partnerschaften mit einigen Städten, Gemeinden und einer steirischen Region; wir wollen all jenen, die sich um ein Zusammenleben bemühen, Werkzeuge in die Hand geben, um professionell und vor allem auch erfolgreich mit Konflikten umgehen zu können", erklärte Vollath bei der Eröffnung der Konferenz.
Der deutsche Autor und Migrationsforscher Mark Terkessidis warnte in seinem Impulsreferat davor, das Potenzial der Einwanderungsgesellschaft zu verschleudern: „Es macht keinen Sinn, sich auf vermeintliche Schwächen zu konzentrieren; unsere Institutionen müssen sich auf die Realität einstellen – zum Beispiel, dass in deutschen Städten rund ein Drittel der Bevölkerung Migrationshintergrund hat, bei den Kindern unter sechs Jahren ist es sogar die Mehrheit." Bernhard Perchinig, Migrationsexperte aus Wien, hofft „dass der Migrationshintergrund endlich in den Hintergrund tritt. Wir müssen weg von einer Parallelverwaltung für die so genannten ,Anderen'. Und das ist die Chance der Gemeinden, gerade auch, weil nicht viel Geld für dieses Thema vorhanden ist: Denn so müssen sich die Regelinstitutionen mit der Vielfalt beschäftigen und somit die Verantwortung für die gesamte Gesellschaft übernehmen." Perchinig lobte zudem die steirische Charta des Zusammenlebens als „herausragend unter anderen, ähnlichen Papieren. Spannend ist auch die Neuzuordnung des doch recht belasteten Begriffs Heimat".
In einem Podiumsgespräch diskutierten dann Bürgermeister Christoph Stark (Gleisdorf), Mario Abl aus Trofaiach, Wolfgang Dolesch (Neudau), die Kapfenberger Bürgermeisterin Brigitte Schwarz, der Grazer Gemeinderat Thomas Rajakovics sowie Vulkanland-Obmann Josef Ober zum Thema „gesellschaftliche Vielfalt in den Gemeinden gestalten". „Die Gemeinde Neudau ist immer aktiv auf die Zuwanderer zugegangen, wir haben auch die Gemeindewohnungen geöffnet", erklärte Dolesch. Schwarz bekannte, dass die Organisation des Zusammenlebens „eine große Herausforderung" darstelle, man arbeite nun daran, eine Strategie für die einzelnen Problemfelder wie Wohnen, Arbeit, Bildung und Gemeindeleben zu entwickeln. Rajakovics betonte, dass man in Graz versuche, die positiven Seiten der Zuwanderung hervorzustreichen: „Vielfalt ist die Voraussetzung für Innovation." Auch Ober will Vielfalt als Bereicherung und Chance sehen, versteht aber auch die Ängste: „Durch die Globalisierung und Individualisierung fallen die gewohnten Sicherheiten weg; weil unsere eigene Kultur immer mehr verrinnt, fürchten wir die fremde. Es gilt nun, eine neue Lebenskultur zu finden, und zu definieren, wie wir in dieser globalisierten und individualisierten Welt miteinander umgehen."
Am Nachmittag arbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann in Workshops an den Themenfeldern Bildung, Wohnen, Arbeit und Wirtschaft, Gesundheit und Nachhaltigkeit, Freizeit und Ehrenamt, Raumentwicklung und Beteiligung sowie gelebte regionale Praxis. Fazit: Es gilt, in den Gemeinden, aber auch gemeindeübergreifend, Kommunikation zu fördern und Netzwerke aufzubauen. Im Bereich Bildung wünscht man sich „eine Schatzsuche statt einer Fehlerfahndung", es sollen also zum Beispiel die Vorteile der Mehrsprachigkeit in den Vordergrund gerückt werden. Als essenziell wurden auch echte Beteiligung und Transparenz erachtet. Die Gemeinden sollten eine Streit- und Beteiligungskultur schaffen und dem Bürger wieder mehr zutrauen. In punkto Raumentwicklung wünscht man sich mehr offene Räume, die sich die Bevölkerung wieder selbst erobern kann.
Am Abend lud Landeshauptmann Franz Voves zu einem Empfang, um diese erste Konferenz des Zusammenlebens, die ab sofort jährlich stattfinden soll, gemütlich ausklingen zu lassen.
Mehr Informationen finden Sie unter www.zusammmenleben.steiermark.at.
Graz, am 22. September 2011
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