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Hochaltrigenstudie: Ein differenziertes Bild des Alters

Größte repräsentative Studie in Österreich zu über 80-Jährigen in der Steiermark zum dritten Mal durchgeführt.

Präsentierten die Ergebnisse der Österreichischen Interdisziplinären Hochaltrigenstudie: Gesundheitsfonds-Geschäftsführer Michael Koren, Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß und ÖIHS-Projektleiter Georg Ruppe (links, v.l.)
Präsentierten die Ergebnisse der Österreichischen Interdisziplinären Hochaltrigenstudie: Gesundheitsfonds-Geschäftsführer Michael Koren, Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß und ÖIHS-Projektleiter Georg Ruppe (links, v.l.)
© Land Steiermark/Binder; bei Quellenangabe honorarfrei

Graz (7. November 2022).- In der Steiermark sind rund 6,5 Prozent der Bevölkerung über 80 Jahre alt (exakt 81.905 Personen am Stichtag 1.1.2022). Damit gehen individuelle Herausforderungen genauso wie gesellschaftliche und damit gesundheitspolitische einher. An der Österreichischen Interdisziplinären Hochaltrigenstudie (ÖIHS) der Österreichischen Plattform für Interdisziplinäre Alternsfragen nimmt die Steiermark seit 2013 zum dritten Mal teil. Damit wird diese Studie nicht nur zur Trendstudie, die Entwicklungen nach unterschiedlichen Merkmalen, wie Stadt/Land, Mann/Frau dokumentiert, sondern individuelle Entwicklungen auch im Längsschnitt, nach einer Panelstudie, betrachtet.

717 Frauen und Männern im Alter zwischen 80 und 90 Jahren, davon 202 in Wien, 220 in Niederösterreich, 152 in der Steiermark und 143 in Salzburg wurden im Rahmen der ÖIHS III zwischen 2019 und 2022 in ausführlichen persönlichen Interviews in Privathaushalten und Institutionen befragt und untersucht. Zusätzlich wurden noch ergänzende telefonische Interviews sowie auch eine Fokusstudie zum subjektiven Erleben der Covid-19 Pandemie unter hochaltrigen Menschen durchgeführt. An der ÖIHS sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Geriatrie, Soziologie, Psychologie, Neurologie, Psychologie und den Pflegewissenschaften beteiligt.

Falsches Bild vom hohen Alter
Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, das gängige Bild vom hohen Alter erweist sich mit Blick auf die tatsächliche Gesundheits- und Lebenssituation vieler hochaltriger Österreicherinnen und Österreicher als falsch. Zwar ist ein Teil der Hochaltrigen von mehr oder weniger gesundheitlichen und funktionalen Einschränkungen betroffen, aber ein großer Teil verfügt über einen guten körperlichen Allgemeinzustand und ist in der Lage, ein weitgehend selbständiges und aktives Leben ohne nennenswerte Unterstützung zu führen. Auch zeichnen sich Hochaltrige durch eine „überwiegend hohe Lebenszufriedenheit" aus. Das Vorkommen von Depression ist mit einem Anteil von 15 Prozent relativ gering, wobei schwere Depression die Ausnahme darstellt. Auch Einsamkeit findet sich nicht in den Dimensionen (oder auch an den Orten), die vielfach kolportiert wird.

Aktiv und hohe Resilienz
Dem Altersstereotyp des inaktiven hochaltrigen Menschen widerspricht ebenso die ÖIHS-Studie. Die Untersuchten „80 Plus" zeigen einen hohen Grad an Aktivität und Kompensationsfähigkeiten. Diese sind selbstverständlich abhängig vom funktionalen und gesundheitlichen Status. Der relative gute körperliche als auch psychische Zustand darf allerdings nicht über viele altersassozierte Erkrankungen und Einschränkungen hinwegtäuschen. Fast zwei Drittel der Hochaltrigen sind von funktionalen Einschränkungen betroffen und rund drei Viertel leiden unter mehreren chronischen Krankheiten gleichzeitig.

Dabei besteht zwischen funktionaler und kognitiver Entwicklung ein enger Zusammenhang. Der Verlust kognitiver Fähigkeiten und die Zunahme von Demenz erhöhen die Wahrscheinlichkeit funktionale Kapazitäten und Selbsthilfefähigkeit einzubüßen und geht zudem mit einer deutlich erhöhten Sterbewahrscheinlichkeit einher. Aber auch umgekehrt führt der Verlust funktionaler Fähigkeiten zu einer höheren Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken. Die ÖIHS zeigt auch, dass gewisse Potentiale bestehen, funktionale Verluste umzukehren und durch gezielte Förderung Selbsthilfefähigkeit und Autonomie von Betroffenen zu erhalten oder sogar ein Stück weit zu verbessern. Einen hohen Zusammenhang hinsichtlich Demenzerkrankung gibt es dabei bei Angehörigen von niedrigen Bildungsschichten.

Harninkontinenz
Die ÖIHS widmete sich auch dem bislang wenig erforschten und stark tabuisierten Thema der Harninkontinenz. Das Krankheitsbild ist mit rund einem Drittel der Befragten weit verbreitet, wobei Frauen stärker betroffen sind als Männer. Die Folgen der Harninkontinenz können rasch zu einem Anstieg von Hifsbedürftigkeit, bis hin zur Notwendigkeit der institutionellen Betreuung führen. Strategien zur Verringerung des Pflegebedarfs und dem Verbleib im eigenem Haus müssen, so die Studie, mit gezielter Aufklärung und Bewusstseinsbildung sowie mit präventiven und therapeutischen Maßnahmen einhergehen.

Statements
Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß: „Das Erforschen des Hochaltrigseins geht mit unmittelbaren Herausforderungen in Gesellschaft und ganz besonders mit der Gesundheitspolitik einher. Antworten auf diese Herausforderungen zu finden, sowie eine altersübergreifende Prävention, sind nicht nur gesundheitspolitische Ziele, sondern bedürfen einer gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung, die nachhaltig das Bild vom Alter ändern wird. Die Demenzkoordinierungsstelle war ein persönliches Anliegen dahingehend und wird nächstes Jahr starten."

Studienautor Georg Ruppe: „Das hohe Lebensalter ist extrem heterogen - ‚die Alten′ oder eine einheitliche Gruppe der Hochaltrigen gibt es nicht. Auf Basis der umfassenden Erhebungen und Primärdaten der ÖIHS können wir ein sehr differenziertes und realistisches Bild von den Gesundheits- und Lebensumständen im hohen Alter ableiten. So kann die ÖIHS einerseits auf individueller und gesellschaftlicher Ebene Stereotypen entgegenwirken und zu einer Entmysthifizierung und Entängstigung gegenüber dem Alter - und damit auch zu einer bewussten Auseinandersetzung mit diesem Lebensabschnitt - beitragen und andererseits wissenschaftlich fundierte Daten und Entscheidungsgrundlagen für notwendige Initiativen und Maßnahmen in Politik und Praxis liefern."

Um die Versorgung für Menschen mit dementiellen Beeinträchtigungen zu verbessern und die Angebote zu bündeln, wird derzeit eine Demenzkoordinationsstelle im Gesundheitsfonds Steiermark aufgebaut. Michael Koren, Geschäftsführer des Gesundheitsfonds Steiermark: „Die Demenzkoordinationsstelle ist der strukturelle Rahmen, um die Demenzversorgung bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Durch unsere weiteren Fachbereiche - von der Psychosozialen Versorgung und der Sucht bis hin zu Gesundheitsplanung, Gesundheitsförderung und E-Health - können wir Synergien bündeln und eine Vernetzung der Demenzversorgung mit den weiteren Angeboten im steirischen Gesundheitssystem gewährleisten."

Die Präsentation der ÖIHS-Studie finden Sie  hier, die gesamte Studie finden Sie unter  diesem Link.

Graz, am 7. November 2022

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